Wir haben bereits in einem anderen Beitrag den Begriff “Chemovar” erklärt. Dabei handelt es sich – als kleine Erinnerung – um den korrekten Begriff, um Cannabis zu klassifizieren. Anders als bei der herkömmlichen Unterteilung in “Indica” und “Sativa” wird bei der Chemovar-Analyse auf das Zusammenspiel von Cannabinoiden und den in der Pflanze vorhandenen Terpenen geachtet, um Patienten ein möglichst genaues Bild der Wirkung einer bestimmten “Sorte” zu verschaffen. Heute geht es um einen ähnlichen Fachbegriff, mit dem der Begriff “Strain” ein für alle Mal ersetzt werden wird: Cultivar.
Begriffsdefinition: Cultivar
In der Cannabisbranche ist es generell üblich, englische Begriffe auch in anderen Sprachen zu verwenden, weswegen diese Sorten oft “Strains” genannt werden. So gibt es Hunderttausende dieser “Strains” auf dem Markt zu kaufen, eine bekannte Dokureihe heißt “Strain Hunters” und in Videos, Beiträgen und Blogs finden sich Abertausende Erwähnungen des Begriffs.
Ihr könnt euch vielleicht schon denken, was jetzt kommt: Richtig, “Strain” ist leider ein inkorrekter Begriff, der in der Botanik eher für Pilze verwendet wird, aber nicht für Pflanzen wie Cannabis. Im Englischen gibt es dafür den Begriff, um den es in diesem Blogbeitrag geht: Cultivar. Auf Deutsch wird es als “Sorte einer Kulturpflanze” übersetzt, weshalb die Bezeichnung “Sorte” als Kurzform durchaus zutrifft. Es gibt also Cannabissorten, aber keine Cannabis Strains.
Vor dem Aufkommen der eben erwähnten Chemovar-Klassifikation verwendeten die Züchter einfach die “Sortenmethode” bzw. eben die Methode der “Cultivare”, um die unterschiedlichen Ausprägungen der Cannabispflanze zu klassifizieren. Während Cannabis “Sativa” und “Indica” die beiden Begriffe sind, die am meisten geläufig sind, gibt es etwa 700 Sorten, die verschiedene Merkmale dieser Cannabis-Spezies gemeinsam haben. Durch Kreuzungen verschiedener Cannabisgenetiken gibt es nahezu keine wilden Cannabispflanzen mehr. Die Begriffe Indica und Sativa wurden in der Szene dazu genutzt, um die Wuchsform, aber vor allem die Wirkungsweise einer Pflanze zu beschreiben. Durch Kreuzung alter “Sorten” wurden neue geschaffen, die jeweils wieder einen neuen Namen bekamen. Züchter begannen bald, stabilen Genetiken einen Namen zu geben und die entsprechenden Eigenschaften der Pflanze zu erfassen. Der globale Markt für Cannabissamen ist mittlerweile ein Milliardengeschäft und jährlich kommen sowohl neue Samenbanken als auch neue Sorten auf den Markt. Daher entstanden schon in den 1970er Jahren Namen zu den jeweiligen Cannabispflanzen, die von den Konsumenten weitergetragen und benutzt wurden, um die Wuchs- wie auch Wirkungseigenschaften einer Pflanze weiterzugeben. Es ging vor allem um Informationstransport.
Ein Name hat Macht
Schon bald nach der Veröffentlichung des ersten Samenkatalogs für Cannabis folgte schnell der erste Cannabis-Cup und mit ihm der Siegeszug der Namen (wie wir es bei CultureSativa es nennen). Sorten wie beispielsweise “White Widow” machten sich einen Namen und gelangten von den Niederlanden in die ganze Welt. Über die Jahrzehnte wurde das Sortenangebot immer vielfältiger, da gewiefte Züchter sich die besten Cannabispflanzen aus ihren Gärten suchten, um diese dann zu stabilisieren und so die Genetik der Pflanze zu erhalten. So entstanden mit der Zeit bekannte Cultivare wie “Gorilla Glue Nr. 4”, “Blue Dream”, oder aber auch ausgefallenere Namen wie z.B. “Manatusca Thunder Fuck”. Weitere bekannte Cannabis-Cultivare sind beispielsweise “Jack Herer”, die nach dem gleichnamigen Aktivisten benannt wurde, aber auch “Girl Scouts Cookies”, der es als Muttergenetik in beinahe jede Samenbank der Welt geschafft hat, um daraus weitere Kreuzungen zu erschaffen. Die Namen wurden auch benutzt, um gewisse Eigenschaften der Pflanze festzuhalten. So sind beispielsweise “Kush”, “Haze” und “Skunk” verschiedene Titel, die spezielle Wuchseigenschaften, aber auch Wirkeigenschaften dieser Pflanzen voraussetzen. Eine Kush wird mit der Wirkung von “Indica”-Pflanzen in Verbindung gebracht – also eher Couch-lock mäßig und entspannend bis hin zu schläfrig-machend (“stoned”). Eine Pflanze mit einem “Haze” im Namen hingegen wird mit hochwachsenden “Sativa”-Pflanzen in Verbindung gebracht, die euphorisierend wirken und dem Konsumenten ein kopflastiges “High” verschaffen. “Skunk” bedeutet auf englisch Stinktier, wird jedoch in England (und mittlerweile Weltweit) für hochpotente Cannabisblüten/pflanzen verwendet, die viel THC produzieren.
Von Cultivar zu Chemovar
Leider gab es einen großen Nachteil bei der Klassifizierung von Cannabis allein nach dieser Methode. Denn: Die Identifizierung von Cannabis auf diese Weise spiegelt eben nicht die Unterschiede auf chemischer Ebene wider. Es gab zu diesem Thema Untersuchungen, und in Colorado und den Niederlanden wurden Proben verschiedener “Cultivare” besorgt. Nachdem sie auf ihre chemischen Eigenschaften getestet wurden, stellte sich heraus, dass trotz unterschiedlicher Namen der Cannabisproben dennoch ein Cluster an Terpen und Cannabinoidgehalt zu erkennen war. Im Klartext heißt das, dass Namen alleine nicht ausreichend sind, um die Wirkung von Cannabis zu erklären und verschiedene Wirkungen verschiedener Pflanzen voneinander zu unterscheiden.
Aufgrund dieser Einschränkung wurde der Chemovar-Ansatz gewählt und bleibt der Goldstandard in der Cannabinoid-Klassifizierung. Dieses System berücksichtigte das gesamte Spektrum der potenziell aktiven Inhaltsstoffe.
Ihr seht also, dass die Namen wirklich eine Macht haben. Zu schade nur, dass diese Methode der “Cultivare/Kultivare” jedoch nicht allzu zuverlässig ist.(siehe den Beitrag zu “Chemovar”